Es gibt Nachkommen, die sich jahrelang auf ihre Erbschaften freuen, ja sogar in der Kunst des Erbschleichens üben. Andere wiederum schlagen Erbschaften aus – meist dann, wenn diese „überschuldet“ ist, was bedeutet, dass die Erblassenden allzu stark auf Pump gelebt haben. Und wiederum andere treten solche Erbschaften unwissend oder aber auch bewusst an und zahlen dann jahrzehntelang die Schulden der Vorfahren ab … und werden meist als „schön blöd“ verspottet. Man könnte sie aber auch als ehrlich, treu, verantwortungsbewusst bezeichnen – denn wie oft übernehmen beispielsweise liebende oder eben auch „nur“ pflichtbewusste Ehefrauen Schulden ihres Ehegatten?

Ich sehe das als eine Frage der persönlichen Ethik: Sich nicht aus (ehemaligen) Naheverhältnissen wegzuschwindeln.

Nun lese ich im Kurier vom 29. 12., in der Zeitung Le Monde hätten „Persönlichkeiten“ – welch vage Bezeichnung! Und welch Diskriminierung! Jeder Mensch ist ja eine Persönlichkeit! – zum Boykott der österreichischen FP-Minister als „Erben des Nazismus“ aufgerufen.

Würden dieselben „Persönlichkeiten“ Papst und Kardinäle als „Erben der Inquisition“ bezeichnen? Oder noch gehässiger,  Sozialdemokraten als „Erben des Stalinismus“? Oder Grüne als „Erben der Menschen opfernden Druiden“?

In jeder historischen Analyse finden sich Dunkelzeiten und Aktionen, für die man sich später schämt … Immerhin hat sich jeder Mensch in frühen Zeiten angepatzt und angemacht und gelernt, sich zusammenzunehmen und zurückzuhalten, und ist dann darauf stolz (bis es zur Routine geworden ist) und dieser Stolz auf Gewaltverzicht sollte zumindest anerkannt werden wenn schon nicht ausgezeichnet.

Logischerweise darf man aber immer auch misstrauisch sein. Dann hieße die Botschaft aber: „Wir glauben dir noch nicht – bitte Beweise!“ und nicht: „Mit dir reden wir nicht!“, denn das wäre mehr als Vorurteil, das wäre Mobbing und würde nur die jahrelangen FP-Proteste, sie wären Ausgrenzungsopfer, bestätigen.

Die Tannhäuser-Legende fällt mir ein: Als der Minnesänger Tannhäuser zum Papst pilgert um Absolution von seinen allzu weltlichen Sünden zu erbitten, verweigert dieser den Gnadenakt mit dem Hinweis, der Sänger hätte ja im „Venusberg“ (heute würden wir Bordell sagen) gelebt, und stößt als Vergleich seinen Bischofsstab in die Erde mit der Prophezeiung, wie dessen Holz nie mehr austreiben könne, wäre auch der Künstler auf ewig verdammt. Tannhäuser zieht sich darauf ermattet zum Sterben in die Einsamkeit zurück – und da bringen andere Pilger den vom Papst verwunschenen Bischofsstab – voll in Blüte mit frischem Grün.

Dass einzelne Menschen grausam Chancen von Mitbestimmung verweigern wollen – im aktuellen Fall nicht nur den fünf MinisterInnen sondern einem Drittel der demokratisch wahlaktiven ÖsterreicherInnen – kennen wohl viele aus Arbeits- und Familienwelt. Wenn sich aber mehrere gegen Personen – nicht gegen konkrete Taten oder Worte – zusammenschließen, erinnert das doch sehr an die von Österreich aus inszenierte Anti-Waldheim-Kampagne (da war ich Augenzeugin!) wie auch den Österreich-Boykott 2000.

Vielleicht sollten wir doch den österreichischen Humor zur Hilfe nehmen und Cornelius Kolig bitten, sein Modell der „Kunsthand am Stiel“, das er für eine Ehrung durch den von ihm abgelehnten Landeshauptmann Haider entworfen hatte, in Serie zu produzieren? Quasi als Erbe des mittelalterlichen Narrenstabs?