Der 16jährige, der das 7jährige Nachbarsmädchen erstach, hatte schon früher überlegt, seinen jüngeren Bruder oder eine Mitschülerin zu erwürgen. Der dänische „Tüftler“ Madsen, der für Mord an der schwedischen Journalistin Kim Walde in erster Instanz zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, hatte sich offensichtlich auch seit längerem mit solchen Gedanken beschäftigt: Er hatte ein reiches Archiv von Gewaltdarstellungen an Frauen. Ich weiß von vielen meiner Klienten, die wegen Besitz von pornographischen Darstellungen von Kindern mit dem Strafgesetz in Konflikt geraten waren, dass auch sie lange Zeit von derartigen Zwangsgedanken verfolgt worden waren – allerdings sahen sie darin keinen Anlass, sich präventiv professionelle Hilfe zu holen um davon frei zu werden. Nach anfänglicher Befremdung hatten sie sich daran gewöhnt und letztlich suchtartig danach gestrebt.

Anders ein Klient, der sich an mich wandte, weil ihn irritierte, dass er immer wieder bei sich Phantasien registrierte, in denen er Frauen die Brüste abschnitt. Mit einer spezifischen Methode, in der die solch ein Erleben begleitenden Gefühle nach ihrem Ursprung geortet werden, kamen wir zu seiner „Urszene“: Er erinnerte sich, wie er als Volksschüler solche Gedanken entwickelte, wenn er von der offenbar grausamen Lehrerin vor der Klasse gemaßregelt wurde. Was für ein Gefühl er damit bei sich gleichsam als Gegengewicht zu der Herabwürdigung erzielen konnte, fragte ich ihn, und er antwortete: Er habe sich dann als allmächtig empfunden – quasi als „Herr über Leben und Tod“. Wir konnten in der Folge noch in derselben Stunde andere Phantasien finden bzw. erfinden, mit denen er sich dieses Triumphgefühl auch und auf positive Weise herbeiholen konnte, und vor allem ohne sich auf die Verstümmelung oder sonst eine Schädigung von Menschen festzulegen.

Er war mutig: Er traute sich, seine „dunkle Seelenseite“ herzuzeigen. Selbstwahrnehmung und Selbstkritik sind der erste Schritt zur Wandlung. Durch das An- und Aussprechen wird das noch Sprachlose veränderbar.

Deswegen ist es so wichtig, von klein auf zu besprechen, was man in Filmszenen aber auch in Liedern und Literatur etc. gedanklich aufnimmt: Was man sieht oder hört, erwächst in Wirk-lichkeit wenn man es unbedacht und unbesonnen ins Gedächtnis einspeichert – und das geschieht unbewusst, und je öfter sich diese Inhalte wiederholen, desto fester verankern sie sich.

Wenn man jedoch Unbewusstes ins Bewusstsein hebt – und das kann man lernen – kann man es kontrollieren.

Ein chinesisches Sprichwort, das ich diebezüglich sehr hilfreich finde, lautet:
Du kannst nicht verhindern, dass Vögel über dein Haupt hinweg fliegen – aber du kannst verhindern, dass sie in deinen Haaren ein Nest bauen.