Halt! Gewalt!

Als ich Jus studierte – 1962–1966 – gab der damalige Strafrechtsprofessor Roland Graßberger (1905–1991) zum Thema Vergewaltigung „launig“ den seinerzeit üblichen Kommentar ab, „man könne ja auch nicht in ein Nadelöhr einfädeln, wenn dieses bewegt würde“. Dass man allerdings schon mit nur einer Hand solche Bewegungen verhindern könne, kam in den sexuellen Phantasien des Herrn Professors nicht vor.

Allein das Wort Vergewaltigung lässt geistige Bilder entstehen, die ihren Ursprung in (Porno-)Filmen haben: Sie sind üblicherweise aus dem Blickwinkel des Täters oder eines Beobachters gefilmt und laden damit zu dieser Identifikation ein.

Es gab einmal einen „Tatort“-Krimi, in dem die Vergewaltigung eines sehr jungen (ich schätze 10–12jährigen) Mädchens aus ihrem Blickwinkel dargestellt wurde: ekelhaft, unerträglich – die grinsenden Gesichter der schwer atmenden Männer. Viele Frauen haben solche Erfahrungen in ihrer Biographie. Viele Männer sagen jedoch, so arg wird es schon nicht gewesen sein, und fragen, ob es ihr vielleicht doch auch Spaß gemacht habe und unterstellen alle möglichen Motive, wenn die Schockierte während oder nach der Brechung ihres Willens protestiert. Denn in den Filmen kommt das ja oft vor, dass die Leidenschaft ansteckt – aber auch diese „Ansteckung“ ist gegen den Willen. Aber Uninformierte glauben unkritisch alles, was ihnen „präsentiert“ wird. Dazu gehört die Schutzbehauptung vom „einvernehmlichen“ Geschlechtsverkehr.

In meiner theologischen Masterarbeit zur Sexualethik habe ich mich mit der sogenannten Konsensethik – alles ist erlaubt, wenn sich die Beteiligten einig sind – deswegen kritisch auseinandergesetzt, weil dabei immer vergessen wird, wie allein durch die hohe männliche Erregungsenergie intellektueller Widerstand körperlich zum Verschwinden gebracht werden kann. Jeder Kampfsportler weiß, wie stark man mental andere schwächen kann.

Deswegen plädiere ich für Verantwortungsethik: Auch wenn man noch so sehr Sklave seiner Sexbilder im Kopf ist und diese kraftvoll realisieren will (bewusst männliche Form!), gilt es zu erkennen, dass man die eigene Überstärke so gestalten sollte – und auch kann, wenn man ein Meister der Liebeskunst sein bzw. werden will und nicht bloß ein Tyrann, der seinen Willen durchsetzt – dass die andere Person genug Freiraum besitzt, sich in ihrer Zeit „entflammen“ zu lassen – oder sich zu distanzieren. Dann erst zeigt sich, ob einem der oder die andere so wertvoll ist, dass man eine Beziehung zu ihm oder ihr will und nicht nur einen Triumph.

(Meine Masterarbeit erscheint übrigens im Jänner 2017 im Czernin-Verlag, mehr dann auf www.perner.info).