Eine Noxe ist etwas „Giftiges“ – etwas, das eine schädliche Wirkung auf die individuelle (z. B. Drogen) oder auch kollektive (z. B. eine Grippe-Epidemie) Gesundheit hat. Die Ursachen können physikalischer, chemischer, bakterieller oder psychosozialer Art sein. Zu den psychosozialen Noxen zählt beispielsweise Armut, Diskriminierung, Einsamkeit, Stress – aber auch die sogenannten iatrogenen, d. h. durch ärztliche Kunstfehler oder Oberflächlichkeiten verursachten Schäden.

Zu diesen Oberflächlichkeiten zählt auch eine unachtsame Sprache – etwa wenn Patienten eine negative Diagnose „an den Kopf geknallt“ wird, statt Worte zu gebrauchen, die eine selbstaktivierende Zukunftssicht vermitteln und Selbstheilungskräfte stärken. Das kann man lernen (übrigens einer meiner Unterrichts-Schwerpunkte sowohl an der Universität wie auch in meiner eigenen Akademie). Überhaupt sind Diagnosen problematisch – eben weil sie meist gleich vom Augenblick der Begutachtung als unveränderliche Prognose zu einer unausweichlichen Lebenstatsache gedehnt werden. Deswegen verzichtet übrigens die personzentrierte Psychotherapie auf Diagnosen: Sie legen eine abstrakte Sammelbezeichnung auf den einzelnen Menschen und können so nie dessen Biographie, Lebensumständen, Befindlichkeit und Einzigartigkeit gerecht werden – sie können all das aber massiv beeinflussen.

Und dann gibt es eine psychosoziale Noxe, die darin besteht, dass Laien psychiatrische Diagnosen von sich geben. Das steht aber nur Psychiatern und Psychotherapeuten zu (deswegen weisen ja Allgemeinmediziner zu solchen Fachleuten zu – bzw. sollten es tun, um nicht „selbsterfüllende Prophezeiungen“ zu produzieren).

Das klassische Beispiel besteht darin, dass Frauen vorgeworfen wird, sie seien „hysterisch“ oder „frigid“ oder Männern, sie seien „impotent“. Allein diese Wortwahl beweist Ignoranz – unter Fachleuten werden sie schon lange nicht mehr verwendet, weil sie demütigend sind und außerdem auf gelegentliche und vorübergehende Momentzustände verweisen. Leider versteigen sich auch manche Lehrkräfte in solche sprachliche Niederungen der „schwarzen Pädagogik“, wenn sie mit „weißer“ nicht den gewünschten Erfolg erzielen.

Was aber gar nicht geht, ist, wenn ein Bundeskanzler bei einem seiner Mitbewerber vor laufender Kamera Verfolgungswahn „diagnostiziert“ (Österreich vom 9. 9. 2017, S. 6). Auch wenn „abgebrühte“ (!) Politiker solche sprachlichen Über- und Untergriffe gewohnt sein mögen bzw. darauf trainiert sind, auf Verbalnoxen nicht (mehr) „menschlich“ zu reagieren, geben sie damit doch ein Negativvorbild, schaffen ein „Milieu“ und fördern nur weitere Respektlosigkeiten.